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Bruchsal: Ein Stück aktiver Erinnerungskultur – Gedenkveranstaltung in Gurs

29. Oktober 2022 | Bruchsal, Das Neueste, Leitartikel

Bruchsal (PM) | „Indem wir hier stehen und auf das schauen, was passiert ist, schauen wir hin und nicht zu oder gar weg. Das ist unser Auftrag – heute hier und jetzt,“, sagte die Bruchsaler Oberbürgermeisterin Cornelia Petzold-Schick bei der Gedenkveranstaltung auf dem Deportiertenfriedhof in Gurs.

In diesem Jahr hatte die Stadt Bruchsal die Sprecherrolle bei der alljährlich stattfindenden Fahrt von Vertreter/-innen der Israelischen Religionsgemeinschaft Baden und der badischen Städte, Gemeinden und Kreise, aus denen 1940 jüdische Bürger/-innen nach Gurs deportiert worden sind. Es waren bewegende Momente, die die etwa 70-köpfige Delegation gemeinsam mit französischen Repräsentanten/-innen bei der Gedenkveranstaltung erlebten.

Delegation aus Bruchsal in Gurs

Delegation aus Bruchsal in Gurs

Wie wichtig eine aktive Erinnerungskultur mit einem Blick nach vorn in Gegenwart und Zukunft ist, machten alle Redner/-innen deutlich. Man müsse wieder und wieder erinnern, um sicherzustellen, dass bei aller Diversität unserer Gesellschaft klar sei: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“, so die deutsche Generalkonsulin Stefanie Zeidler. Es gelte heute wachsam zu sein, um Anfeindungen gegenüber Jüdinnen und Juden in unseren Gesellschaften zu begegnen: „Wir werden keinen Zentimeter zurückweichen vor Menschen, die gegen Jüdinnen und Juden hetzen oder diese bedrohen“, so Volker Schebesta, Staatssekretär im Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg, der auch im Namen der Länder Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Saarland sprach.

Neben dem Gedenken an die Gräueltaten legte Rami Suliman, Vorsitzender der Israelitischen Religionsgemeinschaft Baden, einen Fokus seines Redebeitrags auf die erfolgreiche Rettung von Kindern und Jugendlichen aus dem Lager Gurs. „Diese Geschichten haben wir in den Mittelpunkt einer Untersuchung gestellt“, sagte er. Mit Blick auf die 82 Jahre zurückliegende Deportation, gebe es immer weniger Zeitzeugen. Deshalb müsse man neue Formen des Erinnerns, Bewahrens und Weitererzählens finden.

„Engagierte junge Leute leben uns vor, dass dies gelingen kann“, so Rami Suliman. Mit Maja Hermes, Helen Kratz und Johann Schäfer sprachen drei solch engagierter Jugendliche auf der Gedenkveranstaltung. Das ist schon Tradition. Die drei Bruchsaler Schüler/-innen erklärten, dass die Beschäftigung mit der Holocaust- Thematik sie tief berührt und ihnen die Dringlichkeit der Aufarbeitung und des Gedenkens vor Augen geführt habe. „Und es ist jetzt an unserer Generation, die Thematik weiter zu vertiefen“, sagten sie.

„Dieser Ort ist stummer Zeuge einer Zeit, die uns in die Pflicht nimmt“, betonte Inaki Echaniz, Mitglieder der französischen Nationalversammlung. Im Gedenken an all die Menschen, die im Lager waren, müsse man sich jeden Tag gegen jede Form von Totalitarismus erheben und für die Einhaltung der Menschenrechte einstehen.

Zeitzeugengespräch

Teil der Gedenkreise ist neben der großen Gedenkveranstaltung auch ein Zeitzeugengespräch. Daran nahmen in diesem Jahr Rita Althausen und Hélene Yaiche-Wolf teil. Beide sind Töchter von Juden, die 1940 nach Gurs deportiert wurden. Ihre Erzählungen zeigten, wie unterschiedlich auch von den unmittelbar Betroffenen mit den Erlebnissen in Gurs umgegangen wurde.

Der Vater von Rita Althausen sprach sehr offen über Gurs, vor allem auch bei Zeitzeugengesprächen mit Jugendlichen. Der Vater von Héléne Yaiche-Wolf sprach dagegen in Bezug auf sein persönliches Schicksal nie über Gurs. Die Reise endete mit dem Besuch des Lagerareals. Dort steht heute nur der Nachbau einer Baracke. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde das Areal mit Bäumen bepflanzt, so dass der noch bestehende Weg heute von einem Wald umrahmt wird.

Die Arbeitsgemeinschaft Gurs

Vom 22. bis 24. Oktober 1940 wurden über 6.500 badische Jüdinnen und Juden von den nationalsozialistischen Machthabern nach Gurs deportiert. Für die meisten war es die vorletzte Station, bevor sie in die Vernichtungslager im Osten den Tod fanden. Die Städte, Gemeinden und Kreise, aus denen die Menschen deportiert worden sind, sind heute in einer Arbeitsgemeinschaft zusammengeschlossen, der Karlsruhe, Mannheim, Freiburg, Heidelberg, Pforzheim, Konstanz, Weinheim, Emmendingen, Lörrach, Offenburg, Baden-Baden, Bühl, Rastatt, Kuppenheim, Bretten, der Bezirksverband Pfalz und Bruchsal angehören.

Quelle: Pressemeldung der Stadt Bruchsal vom 25. Oktober 2022

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