Nach Teil 1 der Artikelreihe „Am Rande des Kraichgau – das kurpfälzische Winzerfest in Wiesloch – gelebtes Brauchtum seit 1930“ nun Teil 2:
Geschichten rund um’s Winzerfest – Die Kraichgauer Tracht
„Als Albert Wagner, gebürtiger Bayer, ehemaliger Stadtrat in Wiesloch, die Kraichgauer Tracht das erste Mal auf der Baiertaler Kerwe 1981, vorstellte, war die Resonanz der Bevölkerung relativ gering. Eine Kraichgauer Tracht habe es nie gegeben, so hieß es. Er wolle wohl bayrische Sitten einführen! Kniebundhosen sollen in Bayern bleiben, hier seien nie welche getragen worden. Überhaupt, was soll eine Tracht in der heutigen Zeit! Ist das nicht ein Anachronismus?
Albert Wagner ließ sich dadurch aber nicht entmutigen. Im Gegenteil, er wollte diese einem noch größeren Publikum beim nächsten Kurpfälzischen Winzerfest in Wiesloch vorstellen. Wusste er doch, dass auch in Bayern nicht alles, was nach uraltem Brauchtum aussieht, kontinuierlich gewachsen ist.“ schreibt Dagmar Wagner aus Wiesloch-Baiertal in Badische Heimat Ausgabe 63 aus dem Jahre 1983.
Weiter schreibt sie: „Das Bedauern über das Verschwinden der Lederhose, und zwar der kurzen, brachte 1883 einen Lehrer in Bayrischzell dazu, einen Trachtenverein zu gründen. Dieser Lehrer, er hieß Josef Vogl, saß an einem Sonntagabend beim Bier im Wirtshaus und ließ die Bemerkung fallen, dass kaum mehr jemand im Dorf die lederne Kurze trägt. „Wenn jemand mittat, ließat i mir gleich selm oane macha“, soll er gesagt haben. Dieser Ausspruch ist in die bayerische Geschichte eingegangen. In Bayern, aber auch sonst wo entstanden „Vereine für Erhaltung der Volkstracht“.
Zurück zum Kraichgau und zu Albert Wagner. Wie kam er dazu, eine Tracht ausgerechnet im Kraichgau neu zu beleben? 1978 wurde er zum Vorsitzenden des Baiertaler Stadtteilvereins gewählt. Als Ziel setzte er sich, heimisches Brauchtum zu erhalten und zu pflegen. Um in der Bevölkerung das Heimatbewußtsein zu stärken, veranstaltete er 1980 und 1981 die folgenden Ausstellungen: „Baiertal unser Dorf“ und „Baiertal im Kraichgau“.
Wie man sich auf dem Wieslocher Winzerfest 1982 überzeugen konnte, wirkten alle Trachtenträger sehr stattlich. Diesmal war der Beifall der Bevölkerung groß. Besonders den Herren Minister Gerhard Weiser, Oberbürgermeister Heinz Bettinger und dem Präsidenten des Badischen Weinbauverbandes Peter Schüttler gilt es an dieser Stelle zu danken. Sie haben durch ihre Mitwirkung die erneuerte Kraichgauer Tracht populär gemacht.
Mehr zur Kraichgauer Tracht folgt in Kürze hier bei Kraichgau-Lokal.de
Tracht und Brauchtum auf dem Winzerfest heute
Ein Foto vom Wieslocher Winzerfest 2022 zeigt die aktuellen Weinhoheiten, die Weinkönigin Anna-Lena und Weinprinzessin Jennifer, mit dem ehemaligen Weinkönig Dieter I.
Dieter Degreif war „Dieter der Einzige“. Er ist bis heute der einzige Mann in der Geschichte des Winzerfests der auch mal Wieslocher Weinhoheit war. Es mangelte 1994 an weiblichen Bewerbern für das Amt der Weinhoheiten und so übernahm er es von 1994 bis 1996.
Mehr zu dem in Wiesloch bis heute sehr beliebten Herrn Degreif in einem weiteren Beitrag der Artikelreihe Winzerfest.
Anlässlich des Wieslocher Winzerfestes fand auch 2022 wieder „Wein und Markt“ statt, dort entstand nachfolgendes Foto.
In Baiertal einem Ortsteil von Wiesloch findet man auch noch gelebtes Brauchtum
Mehr zu den Stadtteilvereinen und den Kerweborscht in Kürze im Bericht zur
Quellangaben und weiterführende Informationen:
Badische Heimat 1983 – Kraichgautracht