Ein Blick auf die Geschichte des Wieslocher Winzerfests (ehemals kurpfälzisches Winzerfest)
– Eine Heimatgeschichte über ein Fest im Wandel der Zeiten. Eine Geschichte von Tradition und Brauchtum. Teil 1 der Artikelreihe zum Winzerfest.
Von den Anfängen bis zum Krieg
Anno 1930 – Das erste Winzerfest in Wiesloch. Die Winzergenossenschaften Wiesloch, Rotenberg, Rauenberg, Malsch und Malschenberg rufen das erste Winzerfest ins Leben.
An einem Oktoberwochenende feierte die Bevölkerung Wieslochs in allen Gaststätten und Tanzsälen dieses „Volksfest für Alle“. In den darauffolgenden Jahren bis 1932 wurde, durch Engagement aller beteiligten Genossenschaften und der Stadt Wiesloch, ein Festzelt auf dem Messplatz aufgestellt. Später folgte auch ein „Jahrmarktrummel“.
Nachdem man im Jahr 1934 zum ersten Mal unter dem Namen „kurpfälzisches Winzerfest“ und mit einem großen Festzug feierte, wuchs das Winzerfest bis 1938 stetig an. Es wurde zu einer Veranstaltung, die sich über zwei Wochenenden erstreckte. Und dabei rund 50.000 Besucher zählte.
Für die Winzergenossenschaften wurde das Winzerfest zu einem besonderen Absatzweg ihrer Weine. Das kurpfälzische Winzerfest wurde für sie zu einer werbewirksamen Veranstaltung, die eine feste Größe im Vertriebs- und Verkaufskonzept einnahm. In späteren Jahren kam es auch mal vor das es wegen Weinmangels ausfallen musste.
Das für 1939 geplante und bereits in den Vorbereitungen befindliche Weinfest musste kriegsbedingt leider abgesagt werden.
Die Nachkriegszeit
Erst nach dem Krieg im Jahr 1948 kam es zur Wiederbelebung des beliebten Winzerfests durch den Verkaufsverein Kurpfälzer Winzergenossenschaften, dem Winzerkeller Wiesloch und dem Verkehrsverein. Die Wieslocher Bevölkerung feierte erneut wie damals im Jahre 1930 an einem Wochenende im Oktober in allen Gaststätten und Tanzsälen der Stadt. Im darauffolgenden Jahr konnte man dann bereits zum ursprünglichen Format des kurpfälzischen Winzerfests zurückkehren. Mit einem Vergnügungspark und einem Festzelt wurde das Winzerfest in Wiesloch größer als je zuvor gefeiert.
Die Idee der „Kurpfälzischen Weinhoheiten“ wurde bei diesem zweiten Nachkriegs-Winzerfest geboren. Und auch weitere Veränderungen trugen dazu bei, dass, das eng mit dem Winzerkeller Wiesloch verknüpfte kurpfälzische Winzerfest damals als „größtes Heimatfest Nordbadens“ galt. So wurde das Winzerfest über die Region hinaus bekannt, auch durch Programmpunkte wie der „Weintaufe“ oder dem „Kurpfälzischen Heimatabend“. Aber auch durch die beeindruckende „Illumination der Stadt“.
Wein galt in den Nachkriegsjahren als Naturalwährung, dies führte dazu, dass die Anlieferungszahlen der Winzer nur gering waren. Erst nach der Währungsreform nahmen die Genossenschaften ab 1949 einen steilen Aufschwung.
Das Festprogramm wurde in den 60er Jahren um sportliche Wettkämpfe erweitert, dadurch kamen auch viele bekannte und prominente Sportler nach Wiesloch. Auch in der Sportwelt hatte Wiesloch damals eine gewisse Bedeutung. So war es 1965 der Austragungsort der Deutschen Tischtennismeisterschaften.
In den 70er Jahren begann der allmähliche Wandel des Winzerfestes hin zur Konzert- und Tanzveranstaltung. Bei diesen, insbesondere auf die Jugend ausgerichteten Veranstaltungen, traten viele namhafte Künstler auf. Das kurpfälzische Winzerfest präsentierte sich als ein Festival der Live-Musik mit großen Vergnügungspark, der für jeden Besucher etwas zu bieten hatte.
Auch musikalisch war für alle was geboten. Von der traditionellen deutschen Festzeltmusik/Blasmusik bis zu modernen Klängen. Die Stadtkapelle Wiesloch spielte schon von Anbeginn bei der musikalischen Gestaltung des Winzerfestes eine zentrale Rolle. Am damaligen Standort des Festes, der Tuchbleiche (heute Standort des Palatin), sorgte sie bereits für Tanzmusik. Üblich war damals der Verkauf von „Tanzbändchen“ durch die Musiker selbst. Mit diesen Stoffbändchen wurde den tanzbegeisterten Paaren dann der Zutritt auf die Tanzbühne gestattet.
Ein wichtiger Bestandteil waren immer auch die Fanfarencorps. Der traditionelle Fanfarenzug, mit seinen Fahnenschwenkern.
Der Kurpfälzische Fanfarenzug der Weinstadt Wiesloch e.V. wurde 1952 rein für das Winzerfest gegründet und ist seither ein fester Bestandteil bei städtischen Veranstaltungen. Das äußerliche Erscheinungsbild ist eine Nachbildung einer Landsknechttracht, welche anhand eines Kupferstiches, dem „Untertanenfänlein zu Wizzenlohe“ aus dem Jahre 1704 nachgebildet wurde. Angelehnt an die ehemalige Zugehörigkeit der Kurpfalz zum bayrischen Herrschaftsgebiet wurden diese Uniformen in „Blau-Weiß“ gehalten.
Das Winzerfest als Brauchtum und Stück Heimatpflege.
Das Wieslocher Winzerfest galt zu seinen Glanzzeiten als eines der größten in Baden-Württemberg. Eingeladen wurden auch Trachten- und Tanzgruppen aus dem Schwarzwald, Bayern oder Tirol. Im Trachtenanzug gekleidet zeigten sich 1982 auch der damalige Landwirtschaftsminister Gerhard Weiser und Wieslochs damaliger Oberbürgermeister Heinz Bettinger.
Zum Brauchtum des Winzerfestes gehörte lange Zeit auch ein Festumzug mit Fanfarencorps und Trachtengruppen, ebenso mit Kinder und Jugendgruppen. Zur offiziellen Eröffnung erfolgte ein feierlicher Einzug, zunächst mit dem Zielpunkt Festzelt, später ging es in die Eisweinhalle.
Ein genaueres Bild verschafft einem der nachfolgende Videobeitrag des SWR:
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Aus dem Filmarchiv des SWR stammt dieser schöne Beitrag aus den Zeiten des schwarz-weiss Fernsehens, in dem man sich einen Eindruck des Winzerfests der 60er Jahre verschaffen kann. Neben einigen seltenen Aufnahmen des Festumzuges ist auch das große Festzelt zusehen.
Mehr zum Winzerfest bei WiWa-Lokal.de
Ein weiterer Artikel – Teil 2: Geschichten rund um’s Winzerfest – Die Kraichgauer Tracht
Text: Robert Pastor